Es wäre der bisher spektakulärste Fall eines Plagiats bei einer Doktorarbeit in Deutschland: Die Präsidentin der Kölner CBS-Universität soll in ihrer Promotion gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen haben – gleich 73 Mal.
„Es widerspricht der Glaubwürdigkeit im Wissenschaftssystem grundlegend, wenn eine Absolventin, die in ihrer Dissertation an mindestens 73 Stellen plagiiert hat, später Hochschulprofessorin und sogar Hochschulpräsidentin wird. Der Fall ist als schwerwiegend einzustufen – vor allem auch deshalb, weil er eine führende akademische Repräsentantin betrifft.“
Dieser Satz ist der Kern eines echten Wissenschaftskrimis. Im Zentrum: eine Privatuniversität und ihre Präsidentin.
Die „Cologne Business School“ (CBS) ist eine private Wirtschaftshochschule in Köln. Sie gehört zur Klett-Gruppe, einem der größten deutschen Bildungsverlage. Seit 2022 ist Prof. Dr. Anja Karlshaus Präsidentin der Universität.
Ihre letzte aufgelistete Arbeit stammt aus dem Jahr 2024 und behandelt die „Diversitätsförderung in Organisationen“. Damit hat die studierte Soziologin persönlich ihre Erfahrungen. Dem Mantra von „Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion“ verdankt sie maßgeblich ihren Job. Auf Englisch heißt das DEI: „Diversity, Equity and Inclusion“, und nach diesen Vorgaben hat man nicht nur in den USA auf Druck des links-woken Zeitgeistes zahlreiche Top-Jobs vergeben. Nicht nur, aber auch an den Hochschulen – erst in Amerika, dann auch bei uns.
So kam es, dass Frau Karlshaus oberste Wissenschaftlerin einer deutschen Wissenschaftseinrichtung wurde, obwohl sie eher selten in international anerkannten wissenschaftlichen Journalen publiziert. Meist beschäftigt sie sich mit Themen wie „Vollzeitnaher Teilzeitführung“. Darüber schreibt sie dann, oft zusammen mit Gleichgesinnten, in praxisnahen Zeitschriften. Böse Zungen nennen so etwas Vulgärwissenschaft.
Tatsächlich eine richtige wissenschaftliche Arbeit hätte ihre Dissertation aus dem Jahr 2005 sein sollen, Titel: „Weiche HR-Kennzahlen im strategischen Personalmanagement“, vorgelegt an der privaten European Business School (EBS) im hessischen Oestrich-Winkel.
Doch an der Wissenschaftlichkeit eben dieser Doktorarbeit wird jetzt heftig gezweifelt.
Der Salzburger Stefan Weber ist der menschgewordene Albtraum der Wissenschaftsszene. Der promovierte Kommunikationswissenschaftler fahndet nach Plagiaten in Publikationen von Personen des öffentlichen Lebens – und er wird erschütternd oft fündig. Dass sie teilweise massiv abgeschrieben haben, wies Weber in Deutschland unter anderem dem früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) nach, der grünen Ex-Außenministerin Annalena Baerbock und dem sächsischen Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU).
Jetzt hat der österreichische Plagiatsjäger die Doktorarbeit von Anja Karlshaus geprüft – und 73 Verstöße gegen die „gute wissenschaftliche Praxis“ festgestellt. Sein Fazit: „Hier liegt klar ein schweres wissenschaftliches Fehlverhalten vor.“ Karlshaus habe aus mindestens sechs Werken abgeschrieben. Fünf erwähnte sie als Quelle überhaupt nicht, eines nicht korrekt nur in einer Fußnote. Ein maschineller sogenannter Turnitin-Abgleich stützt Webers Vorwürfe ebenso wie eine händische Überprüfung. Die Plagiate verteilen sich über weite Teile des Textes und betreffen auch zentrale Abschnitte der Doktorarbeit.
Das Gutachten, das „Tichys Einblick“ vollständig vorliegt, bemängelt weiterhin, dass Frau Karlshaus beinahe regelmäßig Literaturreferenzen und Originalzitate aus den ungenannten Sekundärquellen abgeschrieben habe. Damit, so der Vorwurf, simuliere sie eine Quellenarbeit, die in Wahrheit gar nicht stattgefunden habe. Selbst die Dissertation ihres damaligen Ehemanns soll Frau Karlshaus ausgeweidet haben. Aus der Arbeit seien zahlreiche Stellen ohne irgendeine Kennzeichnung wörtlich übernommen worden.
Der Mann war irgendwann weg, die Zitate blieben.