Parubij erschossen
Wieder ein spektaulärer Mord in der Ukraine
Am Samstagmittag wurde gemeldet, dass in der ostukrainischen Stadt Lwow ein ukrainischer Politiker namens Andrej Parubij von Unbekannten erschossen wurde. Dem Spiegel beispielsweise war das nur eine sehr kurze Meldung wert, in der die Spiegel-Leser erfahren, dass Parubij mal ukrainischer Parlamentspräsident Rada gewesen ist und dass Selensky auf X von einem „schrecklichen Mord“ sprach.
Über Parubij selbst gab es am Ende des kurzen Spiegel-Artikels nur einen kurzen Absatz:
„Der bekannte Politiker Parubi war von 2016 bis 2019 Parlamentspräsident des Landes und diente zuvor als Vorsitzender des ukrainischen Sicherheitsrats. Auch an den großen proeuropäischen Bewegungen der jüngeren ukrainischen Geschichte hatte Parubi teilgenommen: an der Maidan-Revolution von 2014 sowie der orangefarbenen Revolution im Jahr 2004.“
Mehr erfahren Spiegel-Leser nicht über Parubij, aber da ihnen erklärt wurde, dass der Maidan für die etwas gutes und demokratisches war und Parubij daran teilgenommen hat, findet der durchschnittliche Spiegel-Leser ihn danach wahrscheinlich sympathisch.
Allerdings war Parubij alles andere als eine sympathische Figur der ukrainischen Politik, aber da man nicht schlecht über Tote spricht, halte ich mich an die nackten Fakten. Parubij ist mir bestens bekannt, weil er beim Maidan und den im Jahr 2014 darauf folgenden Ereignissen in der Ukraine eine wichtige Rolle gespielt hat. Was ich nun über ihn schreibe, habe ich aus meinem Buch „Ukraine-Krise 2014“ zusammengesucht, wo all das mit Quellen belegt ist. Das Buch wird übrigens vielleicht demnächst wieder neu aufgelegt.
Wer war Andrej Parubij?
Parubij war vor dem Maidan Mitglied in fast allen ukrainischen Parteien, er hat die Parteien zunächst alle paar Jahre gewechselt. Damit war er nicht alleine, denn in der Ukraine war (und ist) es vollkommen normal, dass auch führende Politiker alle paar Jahre die Partei wechseln. Das passiert meistens vor Wahlen, weil die Regierung in der Ukraine bei jeder Wahl abgewählt wird, weil sich dort alle Politiker nur die Taschen voll machen, während die Menschen im Land arm bleiben. Und um nicht von den Geldtöpfen verdrängt zu werden, wechseln die Abgeordneten vor Wahlen meistens zu der Partei, die die größten Siegeschancen hat.
Parubijs Grundeinstellung war, vollkommen ohne Übertreibung, die eines Neonazis. Er war Gründungsmitglied der Partei „Swoboda“, die sich bis 2004 „Sozial Nationale Partei der Ukraine“ nannte. Parubij blieb dieser Partei, oder ihr politisch nahe stehenden Parteien, danach treu. Noch am 22. August 2013 antwortete die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, die „Sowboda“ werde von der Bundesregierung als eine rechtspopulistische und nationalistische Partei eingestuft, die zum Teil rechtsextreme Positionen vertrete.
Diese Antwort gab die Bundesregierung fast auf den Tag genau drei Monate vor dem Beginn des Maidan, der am 21. November 2013 begann. Parubij war auf dem Maidan von Beginn an einer der Wortführer und wurde als der „Kommandant“ des Maidan bezeichnet. Schon am 24. November 2014 begann unter dem „Kommandanten“ Parubij der Aufbau einer Zeltstadt auf dem Maidan – und die Bundesregierung hatte schnell vergessen, dass sie die Leute, die sie nun auf dem Maidan unterstützte, noch zwei Monate zuvor als rechtsextrem und nationalistisch eingestuft hatte.
Als „Kommandant des Maidan“ befehligte Parubij die „Sicherheitskräfte“ des Maidan. Das waren Schlägertrupps, die sich aus ukrainischen Neonazis, Skinheads, Ultras und anderen Gruppen rekrutierten. Laut Quellen war Parubij derjenige, der im Zuge der Todesschüsse des Maidan, als etwa hundert Menschen erschossen wurden, die Scharfschützen befehligte, die mit Schüssen auf Demonstranten und Polizisten aus dem Hotel Ukraina das Blutbad auslösten.
Nach dem Maidan wurde Parubij Chef des ukrainischen Sicherheitsrates. In dieser Funktion gab er am 13. März 2014, nur drei Wochen nach dem Maidan, die Anweisung, die ukrainische Nationalgarde zu gründen, in die er dann die „Sicherheitskräfte“ des Maidan aufnahm. Aus dieser Nationalgarde gingen kurz darauf die berüchtigten Nazi-Bataillone Asow und andere hervor.
Am 13. April 2014 leitete er die Sitzung des ukrainischen Sicherheitsrates, auf der in Anwesenheit des CIA-Chefs, der inkognito in Kiew war, die sogenannte „Anti-Terroroperation“ beschlossen wurde, also die Entsendung der Armee mit Panzern und Bombern gegen die im Osten der Ukraine damals noch unbewaffnet gegen den Maidan-Putsch protestierenden Menschen.
Bei der Tragödie von Odessa, bei der am 2. Mai 2014 über 40 Anti-Maidan-Aktivisten von Maidan-Anhängern in das Gewerkschaftshaus getrieben und dort bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, war Parubij ebenfalls eine treibende Kraft. Er soll laut Zeugenaussagen die Ultras und Neonazis, die das Massaker angerichtet haben, koordiniert und befehligt haben.
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Der ehemalige Rada-Abgeordnete Spiridon Kilinkarov sagte in einem Gespräch mit der TASS, Parubij habe während seiner Amtszeit als Sekretär des Sicherheitsrats der Ukraine die Kontrolle über den Militärhaushalt gehabt und habe nicht mit anderen teilen wollen, wofür er getötet wurde:
„Dies hängt mit gewissen Finanzströmen und der Kontrolle über diese Finanzströme zusammen. Vor allem muss man verstehen, dass er einst nicht nur Sprecher der Werchowna Rada, sondern auch Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates war. Es geht um den Militärhaushalt. Wahrscheinlich hat er sich in einige Bereiche eingemischt. Dann war er Parlamentspräsident und hatte die Möglichkeit, all das zu kontrollieren. Und mit dem Verlust seines Postens hat er die Kontrolle möglicherweise verloren.“
sibilla
Sep. 03, 2025., 08:45 •