Bloggerin oder Agentin? Albaniens bizarre Spionage-Affäre
Blöd Influenzer, die auf ein MIlitär Gelände eindrangen und dann als man sie erwischte mit Pfeffergas um sich sprühten. So blöde muss man erst einmal sein und dann noch Russen
Bloggerin oder Agentin? Albaniens bizarre Spionage-Affäre
Eine alte Kalashnikow-Fabrik, ein roter Sportwagen, eine russische Bloggerin mit 250 Tausend Follower auf Instagram. Beginnt so eine Spionage-Geschichte? Oder ist alles nur ein gewaltiges Missverständnis? Der Fall Lana Sator.
Die Angeklagten tragen noch immer die Outdoor-Kleidung, die sie im Reisegepäck hatten. Svetlana T., 33 Jahre, kakifarbenes T-Shirt. Mikhail Z., 22 Jahre Wanderhosen, Fedir A., 23 Jahre, Camouflage-Bermudas. Jetzt sitzen sie in einem Glaskasten. Justizwachen nehmen ihnen die Handschellen ab, hinter der Scheibe drängeln sich die Fotografen.
Wenige Minuten später flimmern ihre Gesichter über die Fernsehbildschirme in ganz Albanien. Alle wollen wissen, wie der Russe, die Russin und der Ukrainer aussehen, die am vergangenen Wochenende Schlagzeilen machten, weil sie versuchten, in eine alte Militärfabrik einzudringen – angeblich nur, um Fotos für Instagram zu machen. Doch der Einbruch ist zum Fall für die nationale Sicherheit geworden. Das liegt daran, dass Mikhail, der Jüngste, die Soldaten mit einem chemischen Spray angegriffen hat. Und an seinem russischen Pass.
Reicht das aus, um jemanden als Spion anzuklagen? Und sollte sich der Vorwurf erhärten: Was hatten die Drei auf dem Gelände einer Fabrik zu suchen, die seit 30 Jahren keine Waffen mehr herstellt?
„Albanien ist eines der pro-westlichsten Länder auf dem Balkan und entwickelt sich zu einer Drehscheibe und zu einem wichtigen Übungsplatz für die NATO“, sagt Agon Maliqi, der als Analyst für Sicherheitsfragen in Tirana arbeitet. „Geheimdienste haben natürlich ein Interesse daran zu erfahren, wie weit militärische Projekte fortgeschritten sind. Das gilt auch für kritische Infrastruktur, zum Beispiel Staudämme für die Energiegewinnung.“ Russland verfüge zwar über keine militärische Präsenz auf dem Balkan, habe aber andere Mittel, um die Länder zu destabilisieren. Ein Sprecher der NATO bestätigt das auf profil Anfrage: „In den letzten Jahren hat Russland versucht, sich in alliierte Wahlen einzumischen, Cyberangriffe sowie illegale und zerstörerische Aktivitäten russischer Spione auf alliiertem Territorium durchgeführt.“
In Montenegro scheiterte 2016 ein angeblich durch russische Agenten orchestrierter Putschversuch. Ziel war es, eine mittlerweile erfolgte Aufnahme des kleinen Landes in die NATO zu verhindern. Auch der NATO-Beitritt Nordmazedoniens war von russisch beeinflussten Desinformationskampagnen begleitet. Russland soll dort gezielt Informanten für seinen Militärgeheimdienst angeworben haben. Albanien wurde Mitte Juli Ziel einer massiven Cyber-Attacke. Zwar wird der Iran dahinter vermutet, der Vorfall zeigt aber, wie anfällig die öffentliche Verwaltung für die hybride Kriegsführung ist.
Könnte das Grund dafür sein, Spione in das Balkanland einzuschleusen?
Die Gruppe will mit alledem nichts zu tun haben.
„Niemand von ihnen arbeitet für einen Geheimdienst. Sie sind passionierte Fotografen“, sagt der Anwalt von Fedir A., dem ukrainischen Staatsbürger.
„Mein Mandant ist Student. Er hat den Soldaten mit einem Pfefferspray angegriffen, wie man ihn in jedem Supermarkt kaufen kann. Er hat sich bedroht gefühlt und hatte Angst“, sagt der Anwalt von Mikhail Z., dem russischen Staatsbürger.
„Sie wusste nicht, dass es sich um ein Militärgelände handelt. Sie hat sich am Angriff auf den Soldaten nicht beteiligt“, sagt der Anwalt von Svetlana T., der 33-jährigen Russin.
Was ist Urbex?
Auf Instagram ist T. unter dem Namen „Lana Sator“ aktiv und hat eine Viertelmillion Follower. Sie ist Teil einer Szene, die sich „Urbex“ nennt. Das Kürzel steht für „Urban Exploration“. Gemeint sind Erkundungstouren an verlassene Orte, meist architektonische Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges: Unterirdische Bunker, alte Militärbaracken, Partisanendenkmäler.